Alle reden vom Klimawandel, Garmisch-Partenkirchen redet vom Skifahren

„Wir sind froh, dass wir jetzt wieder zurück im Schnee sind. Bei der letzten WM hatten wir ja nicht viel davon,“ sagte der Präsident des Internationalen Ski-Verbandes 2011 in Oslo. Die letzte WM war damals die in Garmisch-Partenkirchen. 27 Millionen Euro hat der Ort im Vorfeld des sportlichen Großereignisses in Infrastruktur investiert und sich für den Glanz der Vergangenheit weit in die Zukunft hinein verschuldet. Jetzt will sich die Marktgemeinde erneut als Austragungsort 2027 bewerben. „Ein Wahnsinn“ sagen Christian Hierneis und Andreas Krahl, beide
Grüne Mitglieder des Bayerischen Landtages. Der Murnauer Andreas Krahl ist außerdem Mitglied des Kreistages. Christian Hierneis ist Vorsitzender des BUND Naturschutz München und hat bereits umfangreiche Erfahrung mit Bewerbungen für Großsportereignisse.

Garmisch-Partenkirchen ist eine alt-ehrwürdige Berühmtheit des Wintersports. Austragungsort von Weltmeisterschaften und Heimat vieler berühmter Sportler*innen. Bis heute mit dem malerischen Markt am Fuße der Zugspitze mit Ski, Bob und Eiskunstlauf assoziiert. Alle Schulen rühmen sich mit Medaillengewinner*innen unter ihren Absolvent*innen. Doch Garmisch-Partenkirchen ist durch seine Gebirgslage auch besonders betroffen von den Klimaveränderungen: seit den 1970er Jahren ist die Durchschnittstemperatur um 1,5° C gestiegen. Das ist in etwa so, als habe die Gegend seither 300 Höhenmeter verloren, was ungefähr der Gebirgslage von Augsburg entspricht.

Entsprechend invasiv musste bereits 2011 mit Beschneiungsanlagen nachgeholfen und mit Chemikalien gehärtet werden, damit die Weltcup-Rennen nicht ins Schmelzwasser fallen.

„Um die Klimaveränderungen in der eigenen Lebenszeit nachvollziehen zu können, muss man nicht mal besonders alt sein. Alle, die sich die milden Winter und die heißen Sommer der letzten Jahre ins Gedächtnis rufen, müssen bei den Plänen für eine Ski-WM 2027 doch mindestens stutzen. Wie viele Schneekanonen und Speicherbecken wollen die Verantwortlichen denn noch im immer spärlicher werdenden Bergwald verstecken, bis sie endlich ihren Blick in die Zukunft richten, statt von vergangener Größe zu träumen? Ob und wie eine Weltmeisterschaft dem Tourismus nutzt, ist dabei auch mehr als fraglich: 2011 stiegen die Übernachtungszahlen lediglich im gleichen Maße wie in anderen Destinationen. Und wenn Garmisch eines vielleicht gerade nicht braucht, dann sind das mehr Tagestouristen. Gerade das Corona-Jahr
hat viele Gegenden unter der Verkehrslast ächzen lassen und auch hier für einigen Unmut gesorgt“, so Krahl.
Sein Kollege Hierneis ist fest entschlossen: „Wir unterstützen diejenigen, die sich gegen den Ausverkauf der Heimat engagieren und auf zukunftsfähigen und nachhaltigen Tourismus setzen statt auf Strategien von vorgestern, als der Klimawandel noch nicht greifbar war. Und der geht auch an Garmisch nicht spurlos vorbei. Schneesicherheit kann heute schon längst nicht mehr garantiert werden. Auch der Kunstschnee schmilzt dahin. Werbung mit der Ski-WM für Garmisch als Wintersportort? Kein vernünftiges Unternehmen macht Werbung für ein Produkt, das es morgen gar nicht mehr verkaufen kann.“
In gemeinsamen Schriftlichen Anfragen wenden sich die Abgeordneten an die Staatsregierung. Ziel des umfangreichen Fragekatalogs ist, seriös Wunsch von Wirklichkeit und leere Versprechungen von belastbaren Zusagen trennen zu können und Transparenz herzustellen.

Das Versprechen, die Weltmeisterschaft komplett mit der bereits vorhandenen Infrastruktur bestreiten zu können, wurde auch 2011 schon gebrochen: Damals setzte die FIS eine zweite Trasse neben der weltberühmten Kandahar durch. Die Zeche zahlen am Ende die Bürger*innen und vor allem die Natur. Beide sind sich einig: Garmisch-Partenkirchen ist ein wunderschöner und malerischer Ort inmitten einer atemberaubenden, schützenswerten Natur. Ein Sehnsuchtsort mit touristischem Potential jenseits des Wintersports. Garmisch-Partenkirchen kann mehr als Ski und Rodel, denn das wird nie mehr gut.

Schriftliche Anfrage: Bewerbung Garmisch-Partenkirchen für die Ski-WM 2027 I
Schriftliche Anfrage: Bewerbung Garmisch-Partenkirchen für die Ski-WM 2027 II

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